Donnerstag, Juli 13, 2006

Unsere Liebe Frau vom Ahorn - 3

Sturm und Wetter gefährden das Gnadenbild

Die durch Marias Fuß machtlos getretene Schlange mußte sich winden vor Wut. Die Hölle ahnte wohl den herrlichen Sonnenglanz, der bald über der Ahorn-Madonna leuchten sollte. Es können deutlich zwei verschiedene Legenden auseinander gehalten werden: die Wildkirchli-Legende und die Sitter-Legende. Für die erste tritt ein nicht zu unterschätzender Gewährsmann ein, Kapuzinerpater Eberhard Walser. Im Provinzarchiv Luzern (P. A.) finden sich von ihm folgende geschichtliche Notizen:


"Dieses hölzerne alte Marienbild mit dem Jesuskind stammt nach den traditionellen Mitteilungen aus den ältesten Zeiten her. Es soll in den Zeiten der Reformation vieles, sehr vieles an ihm vorübergegangen sein! - Von noch Lebenden wird folgendes als sicher mitgetheilt: Vor ca. 150 Jahren (1690-1718) war dasselbe noch im Ahorn, Sonnenhalb, auf einer Alp, in einem hohlen Baumstamme, vor dem die Sennen, die nicht in den Gottesdienst gehen konnten, während demselben den Rosenkranz beteten. -
Auf diese Alp kam in der Folge ein reformierter Senn von Außerrhoden, der sie zum Lehen hatte, - und dem dann das Bild, das nun in einer Hütte Platz fand, - begreiflich im Wege war. Mit den Ausdrücken: "Jener Platz passe ihm am besten für die Saustande" - warf er das Bild unter schrecklichen Fluch- und Schmähworten - dreimal ins Feuer, - und eben so oft war es, wunderbar, ohne von den Flammen verzehrt zu werden, unversehrt, was man auf der Rückseite noch sieht - (es sind dort noch deutliche Spuren, daß es im Feuer gelegen, und daß sich die darauf angebrachte Farbe von selbst abgelöst -) wieder am gleichen Platze. -
Und der betreffende Heiligthumsschänder war von nun an so unglücklich, - krank, und ein so höchst unglückseliger bedauernswürdiger Tod war sein Los, - daß ein halbes Jahrhundert davon die Rede war.
Dieses Bild kaufte dann Hinkesetonneli, - und nahcher kam es in den Besitz des Bruder Anton sel. im Wildkirchlein, - und nachher in den seines Bruders Bodelisfranztoni, und nachher kaufte es ziemlich theuer, - Joh. Bapt. Manser, an dessen Kranken- und Sterbebett ich stand, und von dem derselbe manch Wunderbares, Außerordentliches, und Vertrauenerregendes erzählte.
Wenn man in Noth, Kummer und Sorgen vor demselben bete in kindlichem Vertrauen zu Maria, der Gottesmutter, werde man wunderbar getröstet werden und oft wunderbare Erhörung finden. Von diesem letztgenannten kam dann das Bild erbweise an Geschwister Enzler (deren Mutter Maria Johanna Manser, Mällishanneli, war; d. V.) und ist, durch besondere Fügung auf eigenthümliche Weise, - nun in dem rechtlichen Besitze des P. Eberhardus Walser, s. Z. Superior und kath. Pfarrer zu St. Anton, und soll lebenslänglich in dessen Besitz bleiben, der denn auch für eine weitere würdige Bestimmung desselben nach seinem Gutfinden sorgen wird."

Obwohl Pater Eberhard merkwürdigerweise nichts vom Axthieb und Wurf in den Weißbach berichtet und auch nichts von der Rettung aus der Sitter, lebt eine Version: das Bild sei schon im Bödeli, Sonnenhalb, gestrandet, und dann wäre eine Zeitlang der Eremit vom Wildkirchli, Bruder Anton Fässler (1802-1853), Besitzer gewesen. Nach seinem Tod sei es an dessen Bruder gekommen, wie P. Eberhard oben ebenfalls berichtet. In der Verzichtsurkunde auf das Gnadenbild vom 17. Juli 1895 (P. A.) stimmt Pater Eberhard der Rettung aus der Sitter auch zu.

Mehr verwurzelt ist im Volk die Sitter-Legende in folgender Fassung:
Im Herzen des religionsfeindlichen Sennen tobten geistige Wetter des Hasses gegen alles Katholische, insonderheit gegen die Mutter Gottes. Längst war ihm das Bild auf seiner Alp ein Dorn im Auge. Krankheit und Unglück schrieb er diesem verhaßten Bilde zu. Es sollte unschädlich gemacht werden. Erst riß er's aus der Baumhöhlung und verbarg es in einer Stallecke. Später warf er es unter Fluchen und Lästern ins Feuer unter dem Käskessi; es half aber nichts, denn die Statue blieb so gut wie unversehrt. Auch ein zweiter und dritter Versuch blieb erfolglos, die Holzstatue brannte nicht, ja das Käskessi sei sogar in Stücke zersprungen. Darüber noch mehr verbittert, nahm er die Axt. Auch mit der konnte er nichts ausrichten, sie traf das Holz, als ob es Stahl wäre. Die Axt flog vom Halme und verwundete ihn schwer. Unter schrecklichen Fluchworten warf er das Bild in den Weißbach hinunter. Tatsache ist, daß Brandspuren und Axthiebe noch am Bild zu sehen sind. In der gleichen Nacht sei ein fürchterliches Hagelwetter niedergegangen und habe die ganze Alp zerschlagen. Jahre hindurch wollte kein Senn mehr die Ahornalp nutzen. Den betreffenden Frevler, der sich so sakrilegisch am ehrwürdigen Ahornbild vergriffen, traf Gottes Strafe auf dem Fuß. Er hatte keinen frohen und keinen gesunden Augenblick mehr. Sein unglückseliger, bedauerswerter Tod ging noch durch Jahrzehnte von Mund zu Mund.

Mit Ehrfurcht folgen wir nun dem zur Vernichtung verurteilten Bild in den Wassern des Weißbaches, der am Talausgang in den Schwendebach und Brüelbach mündet. Alle drei zusammen werden jetzt Sitter genannt.

Der Verfasser erlaubt sich hier eine Zwischenbemerkung. In meiner ersten Priesterzeit vor beiläufig 40 Jahren fand ich in einem alten Buch, dessen nähere Bezeichnung mir leider abhanden gekommen, wie die Mönche der berühmten Stiftsschule St. Gallen den Namen Sitter katechetisch verwerteten. Diese Erklärung beeindruckte mich so stark, daß ich sie nie mehr vergaß. Der Name Sitter, die nahe bei der Stiftsschule St. Gallen vorbeifloß, gab Anlaß zur bildlichen Erklärung des Geheimnisses der hochheiligen Dreifaltigkeit. Wie in Irland, woher ja die St. Galler Mönche kamen, der hl. Patrizius das Geheimnis am Kleeblatt erklärte: ein Kleeblatt und doch drei Blättchen - so legten nun die St. Galler Mönche den Stiftsschülern den Namen Sitter aus als "sint tria unum - aus dreien wird eins, drei ist auch eins". Drei Bäche werden ein Fluß: Schwendebach, Brüelbach und Weißbach bilden die Sitter. So suchten die gelehrten Mönche Licht in das erhabenste Geheimnis zu bringen, vielleicht auch bei Gelegenheit eines größeren Ausfluges in das Gebiet der Abbatiscella.

Das Bild nahm nun, sagt die Legende weiter, den Weg durch die unruhige Sitter. Wie mag die Gottesmutter dort, wo der Fluß die Stützmauern der Pfarrkirche beleckt, ihrem göttlichen Sohn im Tabernakel ihr künftiges Wirken im Ahorn ans Herz gelegt haben und alle Anliegen, die einst dorthin zu ihr getragen würden, auch deine und meine Anliegen. In einem Wasserwirbel in der Nähe der Lankkapelle (abgebrannt mit dem Gasthaus "Rössli" am Mittwoch, den 19. April 1911) sei dann das Bild im Hochwasser gesichtet und gerettet worden.
Bis heute ist noch nie volle Klarheit darüber geworden, wie und wie lange es ging, bis das Ahornbild, vom Frevler weggeworfen, in der Lankgegend gefunden und endlich in sichern Gewahrsam genommen wurde.
Alle kursierenden Berichte über die Rettung aus der Sitter bei der Lank sind unhaltbar. Am Pfingstmontag 1945 kam der Verfasser nach mühsamem Suchen, gemäß Aussagen Nächstbeteiligter und überraschender Feststellungen auf der Landeskanzlei, zu einem neuen Resultat:
Während einem Hochwasser (wie es fast alle Jahre eintreten kann) haben einige Männer beim Heimet Trünzig-Enggenhütten am Sitterstrand Holz geflößt. Sie legten das herausgefischte Holz auf die nächstliegende Wiese. Mit den Holzstücken kam auch eine Muttergottesstatue zum Vorschein. Beim Verteilen des Holzes fiel die Statue dem ledigen Josef Anton Enzler zu. Er wollte sie dem Joh. Bapt. Kölbener für seine St.Johannkapelle schenken. Dieser aber wies sie mit der Bemerkung ab, die Muttergottesstatue gehöre anderswohin. So nahm sie Enzler für seine Altertumssammlung mit heim. Dann aber überließ er sie seiner tiefreligiösen, schwerkranken Schwester Anna Maria. Voll Freude über die willkommene Gabe verehrte sie das Bild hochheilig und vertrauensvoll, bemerkte aber sehr bedeutsam des öfteren, das Bild sei hier doch nicht am rechten Ort.
Wie die Gottesmutter oft zu tun pflegt, erflehte sie der Kranken nicht Genesung, wohl aber die große Gnade, gottergeben zu leiden und gottfroh zu sterben (13. Mai 1878). In dieser Gesinnung brachte sie auch das Opfer, ihr Gnadenbild aus Dankbarkeit für die vielen tröstlichen Besuche dem erkrankten Lankchristenlehrer, P. Eberhard Walser, zu schenken. Es konnte in keine bessere Obhut kommen. Um so mehr wachte da Gottes Vorsehung, weil der Bruder der Anna Maria, der, wie bereits erwähnt, Antiquitätenhändler war, unerwartet rasch am 11. März 1882 seiner Schwester Anna Maria im Tode folgte. Seine Sammlung wurde während zwei vollen Tagen versteigert. Das Gnadenbild aber ist so rechtzeitig wieder gerettet worden.
Diese Angaben wurden mir ehrenwörtlich gegeben und werden, wenn nötig, eidlich bestätigt von einer noch lebenden nahen Verwandten der Anna Maria Enzler. Mit dem Namen Enzler treffen sich Pater Eberhards Notizen, so daß von da an alles geschichtliche Tatsache wird. Die große Ehre, das Gnadenbild einige Jahre beherbergt zu haben, gehört dem Hause Gschwend in Rapisau, heute im Besitz der Familie Adolf Gschwend-Büchler.

Fortsetzung

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