Freitag, März 17, 2006

Heilig Blut-Segen

Aus dem Nachlaß der gottsel. Sr. M. Joh. Rosa Bättig, Stifterin des Klosters Leiden Christi.

Das Heilig Blut
steh' heut für uns gut!
Das Heilig Blut
uns fürsprechen tut
Bei Dir, o Vater!
Laß gelten dieses Blut,
Für dessen Ehre
wir allesamt
Leben und streben.

Komm' uns zu Hilf,
o Göttliches Blut!
Treib von uns fort
der Feinde Wut
Und laß uns genießen
des Friedens Gut.
Amen.

Mit kirchlicher Druckerlaubnis.

Aufopferungdes Kostbaren Blutes Jesu

O Maria, Du wunderbare Mutter des Erlösers, welche Liebe hattest Du zu Deinem Göttlichen Sohne und wie groß war der Schmerz Deiner Seele, als Er Sein Heiligstes Herzblut vergoß! Um dieser Liebe und um dieser Schmerzen willen sei unsere Fürsprecherin und Gnadenmittlerin! Ich bitte Dich kindlich, opfere Du dem Himmlischen Vater auf das Kostbare Blut Jesu Christi zur Genugtuung für meine Sünden, für alle Anliegen der heiligen Kirche, für den Hl. Vater, für alle Bischöfe und Priester, für die verfolgten Glaubensbrüder, für die heranwachsende Jugend, für die Kinder, für die Bekehrung der Sünder, für die Kranken und Sterbenden, für die Armen Seelen im Fegfeuer, für den Frieden und das Heil der ganzen Welt!
Gelobt und gepriesen sei das Heiligste Herz und das Kostbare Blut Jesu im Heiligsten Altarssakrament!
(Ablaß von 300 Tagen)
Mit kirchlicher Druckerlaubnis +Dr. A. Zöllig, Generalvikar,St.Gallen

Mutter Rosa Johanna Bättig und die Offenbarungen des Himmels bezüglich der Ewigen Anbetung des Kostbaren Blutes Christi

Am 19. Dezember 1825 wurde dem Großbauern Philipp Bättig in der Luzerner Landsgemeinde Ettiswil ein Mädchen geboren, das noch am gleichen Tag durch die heilige Taufe zum Gotteskind wurde und den Namen Rosa erhielt. Die Mutter Anna Maria, geborene Peter, erzog das Kind in Gottesfurcht und Einfachheit zur Arbeit und stillen Pflichterfüllung. Nicht nur im Hause half das heranwachsende Mädchen, sondern auch in der Landwirtschaft. Besonders gern hütete sie das Vieh. Dabei beschäftigte sich sein Geist meistens mit himmlischen Dingen, und sein Herz sehnte sich darnach, das Leben ganz Gott zu weihen. Vor allem hegte Rosa eine tiefe Verehrung zum kostbaren Erlöserblut Christi.
Zur Jungfrau herangewachsen, erkannte sie bestimmt und klar ihre Berufung zur Gründung eines Klosters, das vorzüglich diese Verehrung zur Aufgabe hätte. Als sie aber ihren Entschluß, in ein Kloster einzutreten, verwirklichen wollte, starb ihre Mutter von 14 Kindern weg. Rosa war das älteste. So mußte sie daheim bleiben und ihren Geschwistern gegenüber die Mutter ersetzen. – Im Jahre 1848 endlich durfte sie, 23 Jahre alt, ins Kloster Wonnenstein eintreten, das im Kanton Appenzell Innerrhoden in der Nähe von Teufen gelegen ist und sich schon damals durch guten Ordensgeist auszeichnete.
Rosa hatte keine weitere Ausbildung gehabt, als daß sie fünf Halbjahre die damals sehr einfache Dorfschule zu Ettiswil besuchte. Umso mehr ist man erstaunt, daß sie nun als Novizin in kurzer Zeit mehrere Bände von Betrachtungen und "Anbetungsstunden" über das kostbare Blut Christi verfassen und eigenhändig niederschreiben konnte, welche den Schwestern des neuzugründenden Klosters bei der geplanten ewigen Anbetung dienen sollten. Diese "Anbetungsstunden" wurden alsbald dem bischöflichen Ordinariat in Chur, wohin Appenzell damals kirchlich gehörte, vorgelegt und mit ganz wenigen Bemerkungen von demselben approbiert. Beim Lesen derselben ist man überrascht von dem frommen, tiefen Sinn und der Leichtigkeit, womit die ungebildete Verfasserin über die tiefsten Geheimnisse unseres Glaubens schreibt.
Der damalige Spiritual in Wonnenstein, Pater Sebastian aus dem Kloster Fischingen, befahl der Novizin, auch ihre sonstigen Erlebnisse und Erleuchtungen niederzuschreiben, und so entstanden bald eine Menge weiterer Schriften. Sie alle verraten eine ganz seltene Begeisterung für die Ehre Gottes, einen feurigen, fast ungestümen Eifer für die Kirche und die Heiligung ihrer Priester. Und immer wieder bricht darin das Verlangen durch, das heilige Erlöserblut selber zu verehren und durch andere verehren zu lassen. In diesem Verlangen schrieb sie schon jetzt die Satzungen für das zu gründende Kloster, welches jenes Ziel verwirklichen sollte.

Doch da stellten sich ihr große Schwierigkeiten in den Weg.

Einige hielten die Novizin für hochbegnadigt, andere für eine Närrin, wieder andere für eine Schwindlerin. Selbst zum päpstlichen Geschäftsträger Bovieri, dem Stellvertreter des Nuntius, der damals in Luzern residierte und dem das Kloster unterstand, drangen Klagen über sie. Bovieri kam nach Wonnenstein, untersuchte die Sache an Ort und Stelle persönlich und gelangte zur Überzeugung, Rosa habe außerordentliche Gottesgaben und wirklich den Beruf, ein Kloster zur Verehrung des kostbaren Blutes zu gründen. Er übernahm sogar persönlich ihre weitere geistliche Leitung, die er strenge handhabte, und ließ sich von Zeit zu Zeit von ihr schriftliche Berichte geben. Mit Eifer und Tatkraft förderte er ihren großen Plan, unterstützte sie bei der Überwindung mancher Schwierigkeiten und ermunterte sie zu mutigem, geduldigem Durchhalten trotz aller Hindernisse und Verkennungen.
Zwei Jahre Noviziat waren so bald herum, doch am Schluß derselben legte Rosa die Gelübde nicht ab, sondern glaubte den Zeitpunkt gekommen, nun das neue Kloster zu gründen. Dort wollte sie sich dann als erste Novizin durch die heiligen Gelübde ganz dem Dienste Gottes weihen und auch das vierte Gelübde, das sie plante, ablegen, nämlich, besonders das kostbare Blut zu verehren.
Aber wo? Das wußte sie noch selber nicht. Sie machte sich auf die Suche nach einem passenden Ort. Dabei kam sie nach Gonten Appenzell-Innerrhoden. Hier zeigte man ihr eine kleine Kapelle, genannt "zum Leiden Christi". In dieser Kapelle wurde schon von alters her das Bild der Schmerzensmutter verehrt und von frommen Pilgern gern aufgesucht. Kaum hatte die Novizin das Kapellchen gesehen, da stand schon ihr Entschluß fest: Hier wird gegründet! Das Bild der schmerzhaften Mutter und der Name "Leiden Christi" hatten es ihr angetan. Das paßte gerade zu ihren Zielen und ihrer Geistesverfassung. Der Ortspfarrer Suter von Gonten und der Standespfarrer von Appenzell, Kommissar Knill, waren mit der Ausführung des hohen Planes freudig einverstanden. Auch die Regierung. Bald waren die notwendigen Formalitäten erledigt.

Aber aus was sollte die arme Novizin ein Kloster bauen?

Ihr Vater Philipp Bättig half ihr tatkräftig. Auch eine Reihe anderer Wohltäter spendeten ihre Gaben. So konnte Rosa im Jahre 1852 den Hof kaufen, auf dem die Kapelle "zum Leiden Christi" stand.
In hellem Eifer begann sie sogleich, im Verein mit einigen Jungfrauen, die sich ihr angeschlossen hatten, in dem Kapellchen Anbetungsstunden zu halten. In dem Bauernhaus, das auf dem Gehöfte stand, lebten sie vorläufig nach einer klösterlichen Hausordnung.
Unverzüglich verhandelte man auch mit einem Baumeister, und sobald die Pläne fertiggestellt und genehmigt waren, sollte das Werk in Angriff genommen werden. Es galt, zuerst einen Flügel des Klösterchens zu bauen und gleichzeitig darauf die Klosterkirche.
Zunächst aber baute Sr. Rosa eine etwas größere Kapelle und erhielt am 28. Januar 1852 von Papst Pius IX. die große Vergünstigung, darin das Allerheiligste aufzubewahren, was für ihr gottliebendes Herz eine große Freude und ein süßer Trost war.
Am Fest der sieben Schmerzen Mariä desselben Jahres fand dort die feierliche Eröffnung der ewigen Anbetung des kostbaren Blutes statt. In festlicher Prozession zog man vom Wohnhaus zur Kapelle. Rosa erzählt, es sei dabei ein schönes Knäblein zu ihrer Rechten gegangen (wohl das Jesuskind). Dieses habe einen Kranz von verschiedenen Farben und einen goldenen Ring getragen. Bei der Kapelltüre sah sie den Lieblingsjünger Johannes stehen, der sie mit den Worten begrüßte: "Komm zur ewigen Anbetung des kostbaren Blutes unter dem Kreuz, aber bleib standhaft bis zum Tode, denn erst jetzt nimmt dein Leben auf dem Kreuzespfade den Anfang."
In der Kapelle selbst sah Rosa die Gottesmutter und Scharen von Engeln und Heiligen. Maria selber gab ihr das Zeichen zum Beginn der Anbetung.
Ein Jahr später, am Schmerzensfreitag 1853, war die Grundsteinlegung für das eigentliche Kloster. Inzwischen hatte der Heiland die Novizin immer wieder gemahnt, ihre geistlichen Schriften weiterzuführen, denn diese allein werden ihrem Werk Fortgang und Bestand sichern. Diese Schriften, von denen viele noch heute für die Anbetungsstunden im Kloster Leiden Christi dienen, verursachten ihr viel Nachtwachen und Beschwerden, ja sogar manchen Schrecken. Rosa berichtet, öfters habe ihr die Feder, mit der sie schrieb, in der Hand wie eine kleine Schlange gezappelt, so daß sie dieselbe voll Entsetzen wegwerfen mußte. Dies sei besonders bei Abfassung der Anbetungsstunden geschehen.

Der Bau brachte unsägliche Mühsale.

Es fehlte bald an Geld. Die Jungfrauen mußten meistens nur von Almosen und von Spenden guter Leute leben. Oft besaßen sie gar nichts mehr als die Armut. Hunger, Not und Sorgen waren ihre Hausgenossen. Das neue klösterliche Leben brachte unter diesen Umständen bittere Entbehrungen, und dazu zahlreiche Enttäuschungen. Auch fehlte es nicht an Spott. Oft wurde Sr. Rosa ob ihrer "hochfahrenden" Pläne, wie man sagte, ausgelacht und als überspannt verhöhnt. Manche Vorübergehende machten sich lustig, wenn sie diese Jungfrauen wie Taglöhner am Bau arbeiten sahen. Ja es gab Leute, die eigens herkamen, um dieses Schauspiel zu betrachten und sich daran zu weiden.
Viel schlimmer aber als unverständige Menschen war die Hölle. Nach den Aufzeichnungen der Stifterin suchte diese in unbändiger Wut wiederholt das werdende Werk durch tätliche Angriffe zu zerstören. Aber die gotterfüllte Jungfrau nahm den Kampf gegen sie und gegen alle Hindernisse mit unerschöpflichem Vertrauen auf des Allmächtigen Hilfe tapfer auf. Sie schöpfte immer wieder neue Kraft im Gedanken, daß nun bald das kostbarste Blut Christi an dieser Stätte besonders verehrt werde. So führte sie das Begonnene mit Einsatz aller Kräfte zur Vollendung.
Unter der Leitung von Baumeister Schlatter in St. Gallen und unter der eifrigen Mitarbeit der Novizin und ihrer Kandidatinnen schritt der Bau des Klösterchens rasch voran. Schon am 1. Juli 1853 konnte man die Aufrichtefeier begehen, wobei Pfarrer Suter von Gonten eine Ansprache hielt. Noch größer war die Freude am 28. Oktober, am Feste der Apostel Simon und Juda. An diesem Tag fand der feierliche Einzug der Jungfrauen ins neue Klösterchen statt. Kommissar Knill von Appenzell hielt die Festpredigt.
Die Stifterin erzählt, der Heiland habe ihr versprochen, es werden sich beim Einzug sehr viele Seelen aus dem Fegfeuer an der Prozession beteiligen, und nach der Feier dürfen dieselben in den Himmel eingehen.
Im Frühling 1854 fühlte sie sich vom Heiland gedrängt, nun mit dem

Bau der Klosterkirche

zu beginnen; zwar werde die Hölle voll Wut ihre ganze Macht aufbieten, um das Werk zu verhindern, doch sie solle nur mutig anfangen; Er werde mit ihr sein.Wie sie selber erzählt, machte sie einmal eine Reise, um Wohltäter für die Kirche zu finden, doch überall wurde sie abgewiesen. Müde, krank und traurig kehrte sie ins Klösterchen zurück. Da sah sie zu ihrer unbeschreiblichen Freude den Kirchenplatz mit einer Schar himmlischer Geister erfüllt. Diese kamen ihr entgegen. Die einen nahmen sie bei der Hand, andere gaben ihr den Segen. Sie führten sie ins Kloster und erklärten ihr, es sei jetzt eine Prüfungszeit für sie. Die Hölle wolle ihr Unternehmen vernichten, doch werde es derselben nicht gelingen. Möge die Kirche auch so viele Tränen kosten als Steine dazu nötig seien, das Werk werde doch glücken.
Wir erzählen hier weiter, was die Stifterin in einem langen Gedicht über den Bau berichtete.
Früh am Morgen standen die himmlischen Wesen schon da, führten sie an beiden Händen zum Altar, knieten nieder und beteten mit heller Stimme den Hymnus Veni Creator. Sie nahmen Rosa in ihre Mitte. Als nun die Himmelskönigin ankam, sprach der älteste von den Heiligen: "Soll dies Mägdlein da deinem Sohn ganz verlassen ein Haus bauen? Das Haus soll ja eine Pforte für die Sünder sein, eine Stätte, wo die Kranken Heilung, die Betrübten Trost, die Geschmähten ihre Ehre wieder finden."
Ihm antwortete die Mutter voll der Gnaden mit Ernst und holder Würde: "Ja, mein Diener, jene Tochter wird nun diese Kirche bauen, in der ich meinen Thron aufschlagen und als Mutter walten will. Ich befehle dir diese Tochter an, damit du sie leitest im kommenden Sturm und ihre Bitten erhörest."
Die Himmlischen führten Rosa näher zur Himmelskönigin heran. Diese reichte ihr die Hand zum Kusse und sprach: "Fürchte dich nicht! Fang nur getrost an zu bauen." Dann empfing Rosa den Segen. Mit dem Kreuzzeichen aber wurde Satan vom Kirchplatz weggebannt, so daß er einstweilen das Werk nicht verhindern konnte.
Die Arbeit begann in der Karwoche. Was der Heiland vorausgesagt, traf ein.

Der Teufel verfolgte die Klosterfrau furchtbar.

Wie sie erzählt, riß er sie mehrmals des Nachts aus ihrer Zelle heraus, schleifte sie auf dem Boden und auf der Mauer herum, über Stock und Stein, durch Wasser und Gesträuch. Auch andere böse Geister halfen ihm dabei, zerrten die Arme an ihrem Gürtel und verlachten sie höhnisch. Drei Stunden weit weg schleppten sie ihr Opfer, bis schließlich "ein alter Vater mit grauem Bart" - es dürfte der heilige Franziskus gewesen sein - ihr zu Hilfe kam. Er löste die Stricke, mit denen sie angebunden war, nahm sie aus dem Gestrüpp heraus, heilte ihre Wunden und führte sie nach "Leiden Christi" zurück. Rusch, ein Nachbar des Klosters, und der damalige Klosterknecht Xaver Nachbauer erzählten noch in späteren Jahren von grausamen Quälereien Rosas durch die bösen Geister.
Rusch fand die Novizin einmal in einem Graben, einen großen Stein auf der Brust. Der Teufel hatte sie damit erdrücken oder ersticken wollen. Nur mit großer Mühe sei es gelungen, sie aus dieser Lage zu befreien.
Als die Mauern der Kirche allmählich emporwuchsen, sah Rosa öfters die Himmelskönigin kommen, und sie hatte das Empfinden, Maria sehe das werdende Werk gerne wachsen. Auch die himmlischen Wesen sah sie manchmal und durfte bei ihnen Rat und Hilfe holen. Täglich sah sie ferner weiße Knäblein die Mauer auf- und niedersteigen. Sie waren überaus fröhlich, sangen liebliche Lieder, trugen kleine Hämmerchen in den Händen und legten Steine auf die Mauer. Bisweilen sagten sie zur Klosterfrau: "Es schickt uns dein Bräutigam vom Himmel herab, um dir zu helfen."
Rosa sah diese Knäblein nur dann, wenn am Bau nicht geflucht wurde. Fluchte jemand, dann sah sie auf der Mauer eine große Schlange; diese pfiff, machte sich über sie lustig, riß Steine weg und warf sie auf den Boden.
Es nahte die Zeit, wo der Dachstuhl aufgesetzt werden sollte. Rosa batte schon lange eine geheime Angst vor dieser Zeit in sich gespürt, denn sie ahnte, daß die Hölle diesen Anlaß zu einem
Generalsturm
benützen werde. Und darin batte sie recht.
Bereits lagen die vielen Balken wohlbereitet vor den Mauern am Boden. Die Zimmerleute standen aber zwei Tage lang nur herum, doch keiner legte Hand ans Werk. Als Rosa am dritten Tag wiederum erschien, sah sie keine Engel und keine Heiligen. Der ganze Platz war voll von Schlangen und Teufeln. Ein entsetzlicher Tumult brach los, ein unerhörtes Brüllen und Heulen. Die Schreckgestalten spien Feuer aus, und es schienen die Mauern und das Holzgerüst in Flammen zu stehen. Es ward finster um den Bau. Eine Menge schwarzer Raben erschienen, die fürchterlich schrien, sie lassen nicht aufrichten. Schlangen und Drachen sperrten das Maul auf.
So ging es vom Morgen bis tief in den Nachmittag hinein. Die Zimmerleute waren von den bösen Geistern verhetzt und stritten unter sich; auch fürchteten sie, es gebe ein großes Unglück, vielleicht sogar Tote, wenn sie es wagen, trotz allem den Dachstuhl aufzusetzen. Dies umso mehr, als die ersten Balken, die man durch einen Ochsen mit dem Flaschenzug in die Höhe zog, krachend wieder herunterfielen.
Sr. Rosa hatte schon wiederholt die Leute ermahnt und gebeten, die Arbeit aufzunehmen, doch umsonst. Sie wußte sich keinen Rat mehr. Endlich ging sie mit ihren Kandidatinnen in die Kapelle, ließ das Allerheiligste aussetzen und vor demselben beten. Dann hörte sie einen himmlischen Jüngling von oben ihr zurufen, sie solle sich nicht fürchten, die Hölle müsse bald unterliegen. Rosa solle nochmals ihre Leute zusammennehmen und den Befehl zum "Aufrichten" geben. Sie tat es voll Vertrauen – es war schon nachmittags 4 Uhr. Noch brüllte die Hölle und spie Feuer aus, doch sah die Klosterfrau Hunderte von weißgekleideten Kindern, welche den Platz und die Mauern besetzten. Auf der Spitze der Front erschien eine wunderschöne Frau, rechts davon der Evangelist Johannes, und diese geboten der Höllenmacht. Die Schlangen verschwanden, die bösen Geister mußten sich zurückziehen, der Drache, der lange Zeit drohend vor der Stifterin gestanden, mußte weichen.
Die Zimmerleute legten Hand an die Balken. Abends 7 Uhr stand der Dachstuhl vollendet da. Kein Mensch konnte begreifen, daß es möglich gewesen war, ihn innerhalb dreier Stunden aufzusetzen.
Noch sah Rosa auf dem First der Kirche den Engelfürsten Michael stehen, ihn, den großen Sieger über Luzifer. Er versprach ihr, ihr Kloster immerdar zu beschützen. Sie ernannte ihn zum Patron der Kirche im Leiden Christi. (Wer nach dem ''Leiden Christi" wallfahrtet, möge sich dieser Tatsachen bewußt sein!)

Ein glücklicher Tag

Am 21. November 1854 sah man viel Volk zum "Leiden Christi" pilgern. Das Kloster stand vollendet da. Der bischöfliche Kommissar Knill von Appenzell nahm die Segnung der neuen Kirche vor und hielt darin den ersten feierlichen Gottesdienst. Mit kirchlicher Erlaubnis legte Sr. Maria Rosa als erste Novizin hier die heilige Profeß ab und nahm dabei zu ihrem bisherigen Namen noch den des heiligen Johannes Evangelist an. Sie verehrte den Liebesjünger Johannes besonders deshalb, weil er der von Gott bestimmte Zeuge war, der auf Kalvaria mit Maria die Öffnung des Herzens Jesu schaute und mit der Gottesmutter aufs tiefste erschüttert das kostbare Erlöserblut verehrte. – Aus diesem Grunde sollte Johannes auch der besondere Patron des Klosters sein.
Welche Ströme der Freiheit erfüllten an diesem Tag das Herz der Gründerin! Zur ersten Frau Mutter des neuen Klosters erwählt, sah sie ihre Sehnsucht nach Verherrlichung des Erlösers und Seines heiligen Blutes erfüllt. Sie durfte hoffen, diese Stätte werde nun auf Jahrhunderte hinaus ein Hohelied auf Sein Erlöserblut. Das wars, was sie so selig machte und sie aufjubeln ließ gleich einer glücklichen Braut. Äußerlich stand das Werk vollendet da. Es mußte nun nur noch innerlich ausgebaut werden.

Nochmals schmerzliches Leid, bitterste Enttäuschungen
Mutter Rosa Johanna begann mit der ihr eigenen Tatkraft und von Gottvertrauen erfüllt, Kandidatinnen zu sammeln. Doch mit diesen hatte sie kein Glück. Die einen hatten nicht die nötige Gesundheit. Anderen fehlte es an Opfergeist.
So gab es ein Kommen und Gehen von Kandidatinnen. Heftige Kritik setzte ein; Verleumdungen aller Art zirkulierten im Lande. Auch finanzielle Nöte bedrängten die Stifterin. Sie hatte kein Geld, um die beim Klosterbau gemachten Schulden zu bezahlen. Schwere Klagen gingen selbst an die kirchliche Obrigkeit. Mutter Rosa Johanna wurde nach Chur zitiert, um sich wegen verschiedenen Punkten zu verantworten. Man unterzog sie dort vor der bischöflichen Behörde einem scharfen Verhör. Am Schluß desselben erklärte der Oberhirte, sie dürfe wieder heimkehren und in ihrem Werk weiterfahren. Offenbar fand man also an den vielen Anschuldigungen gegen sie nichts von Belang. Offenbar urteilte der bischöfliche Kommissar Knill richtig, da er 1854 schrieb: "Neider und Feinde bat sie viele, die alles vergrößern, mißdeuten und entstellen."
Indes ruhten diese Neider und Feinde nicht, bis sie ihr dunkles Ziel erreicht hatten. Es war eine bittere Stunde, als die Stifertin als Frau Mutter ihres so mühsam erbauten Klosters abgesetzt wurde. – Sie blieb zwar als Schwester in demselben, doch all die Sorgen, Nöte, Entbehrungen, Arbeiten und Verfolgungen, strenges Fasten und Nachtwachen, alles zusammen hatte ihre Kräfte aufgezehrt. Heroisch ertrug sie den Zusammenbruch ihrer Gesundheit, Absetzung, Verleumdungen, schlechte Behandlung, Feindseligkeiten, und schied am 24. September 1855 ruhig und getrost im Alter von erst 30 Jahren aus diesem Leben, nur zehn Monate nach ihrer Profeß und nach der Einweihung ihres Klosters.
Kurz vor ihrem Tode hatte Wonnenstein dasselbe in dessen bedrängter Lage übernommen, im Jahre 1918 aber wurde das Kloster "Leiden Christi" durch Papst Benedikt XV. zu einem selbständigen Konvent erklärt. Vier Jahre später bestätigte Rom auch die neuen Satzungen desselben, und seither hat es sich gemäß der von Sr. Rosa gestellten Aufgabe freudig entfaltet.
Was Mutter Rosa Johanna in ihrem überaus kurzen Ordensleben von nur sieben Jahren als Verfasserin fast zahlloser Schriften und als Klostergründerin geleistet und gelitten hat, grenzt ans Unglaubliche; es war übermenschlich.
Das Weizenkorn mußte in die Erde hinein und verwesen, aber dann trug es herrliche Frucht.

Der Heiland belehrt die Novizin Rosa Bättig über den Wert des kostbaren Blutes
Am 25. Mai 1849 notierte sie folgendes, das der Herr zu ihr gesprochen: Ich befehle dir, der Dienerin meiner Geheimnisse, du solltest deine Unternehmungen durch mein Blut heiligen und dafür sorgen, daß solches auch von andern geschehe. Tue dies in Worten, zeige es in Werken. Suche in deinen Unternehmungen die Ehre meines Blutes, dann wird mein Blut auch für deine Ehre reden, für deine Unternehmungen einstehen und sie durch seine Kraft beschützen.
Mein Blut ist die stets fließende Brunnquelle in der katholischen Kirche, die Bezahlung aller durch die Sünden der Menschen zugezogenen Schulden, der einzige heilende Trank für die verschmachtenden Schafe. Mein Blut allein läßt die Seele Rettung finden; es ist die Freude des ganzen Himmels, der Schrecken der Hölle, deren Macht in ihm und durch die Verehrer dieses Blutes gestürzt wird; es wird der Segen und die Kraft all derer sein, die sich der Verehrung desselben gänzlich widmen. In meinem Blute werden die Früchte in meinem geistlichen Weinberg gedeihen.
Ihr Diener meines Heiligtums, wie lange wollt ihr noch warten, die Verehrung meines Blutes und die Andacht zu demselben zu verbreiten, soviel in euern Kräften liegt? Wollt ihr warten, bis die Raubgier der Hölle die euch anvertrauten Schafe zerrissen hat? Wie lange noch ist euer Glaube an mein Wort: "Das ist mein Leib ... Das ist mein Blut ..." so klein? Bei vielen scheint mein Leib und mein Blut etwas Geringes zu sein. Von allem wißt ihr zu reden, zu beratschlagen, zu verhandeln, wie ihr die Dinge anpacken wollt, damit sie gut ausfallen. Wer hindert euch, mit gleichem Eifer die Verehrung meines Blutes zu fördern, das doch der wahre Brunnquell meiner Kirche ist?
Habt ihr die Verordnungen vergessen, welche mein Vater schon im Alten Bunde gemacht, da er vor dem Auszug aus Ägypten seinem Diener Moses befahl, das Blut des geschlachteten Lammes, das Mich vorbildete und vorstellte, an die Pforten ihrer Wohnungen zu streichen? Mein Vater hat das Versprechen gegeben, daß der Würgengel über die mit diesem Blut besprengten Pforten keine Macht habe und den Tod nicht in diese Häuser bringen könne. Die Israeliten erfüllten dieses Gebot, und ich habe mein Versprechen gehalten.
Die Diener des Alten Bundes benützten das Blut der Opfertiere sorgfältig zu dem Zweck, wozu mein Vater es befohlen hatte. Wenn ihr nun auf mein Blut und seine Kraft weniger haltet und bisweilen eine Schüssel Speise oder einen Trunk Wasser höher schätzt, so seid ihr im Irrtum und steht hinter den Propheten zurück, die sich über den Wert meines Blutes freuten.
Wer hätte wohl mehr Ursache, das zur Reinigung von Sünden bestimmte Blut in Ehren zu halten, die Priester des Alten Bundes mit ihren Opfertieren, oder ihr im Neuen Bund mit dem Blute eures Gottes, eures menschgewordenen Erlösers, von welchem doch allein alles Heil, alle Gnaden hervorgehen?
Ihr werdet euch in dieser Zeit umsonst bemühen, wenn ihr euch nicht mit festem brüderlich liebendem Eifer bestrebt, aus diesem immer fließenden Brunnen zu schöpfen, der gerade in der Gegenwart am wenigsten aufgefaßt wird.
Schaut nicht länger dem furchtbaren Feuerbrande zu, ohne Hand anzulegen, denselben zu löschen. Ich sage euch: Wie am Kreuze das aus meinen Wunden geflossene Blut um Erbarmen gerufen hat, so ruft es jetzt zum Himmel für alle jene, die es ehren und seine Kraft benützen. Aber es wird auch um Rache schreien, wenn ihr, seine Diener, es durch Nachlässigkeit unbenützt, verachtet und entehrt werden lasset. Was nützen eure Klagen über die geistige Not und das Elend unserer Zeit, wenn ihr zu träge oder zu klug seid, aus dem Brunnen Wasser zu schöpfen, das ohne eure Arbeit fließt, um den Feuerbrand zu löschen, den Unglaube und Sünden in euerm Weinberg entfachen!

Am 30. Mai 1849 schrieb Rosa Bättig:

Das kostbare Blut ist also, wie uns der Heiland sagt, jenes Pfand, durch welches wir erlöst sind. Es ist jener Schatz, aus dem alle Reichtümer der Kirche hervorgehen; es gibt in unserer Kirche keine einzige Gnade, die nicht aus diesem Lebensbrunnen entsprang und noch entspringt. Alle Gläubigen der Vergangenheit und der Zukunft bis ans Ende der Welt sind nur durch das kostbare Blut zu Gefäßen der Liebe und des göttlichen Wohlgefallens umgewandelt worden.
Dieses Blut ist die Gnadenquelle, von welcher die Sakramente ihre Kraft und Wirkung haben; es ist jener lebendige Brunnen, außer dem es kein Heil gibt, außer dem es kein lebendigmachendes Wasser gibt, heißt es doch: "Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben."
Warum scheinen wir fast stumm zu sein bei diesem Schatz an Gedanken, der unsere Kirche gegründet und bis ans Ende erhält? Ist etwa der glückliche Zeitpunkt schon da, wo wir sagen könnten, wir leben ganz nach dem Evangelium und den Vorschriften der Kirche in Liebe, Friede und Einigkeit, daß wir keine Gnaden mehr nötig hätten?
Wer sein eigenes Gewissen, sein schuldbeladenes Herz befragt, wer einen aufrichtigen Blick in sich und um sich wirft, wird finden und sagen müssen: Mir mangelt vieles, wer wird es meinem Herzen ersetzen? Mich drückt vieles, wer wird mir die Last abnehmen? Ich sehe vieles in und außer mir, das mir Sorgen und Kummer macht, wer soll es in Ordnung bringen?
Es ist einer, der alles in Ordnung bringen kann und es gewiß auch tut, wenn wir nur vertraulich seinem Wunsch, seiner Einladung folgen und das Heil bei ihm suchen. Gab er nicht zu allen Zeiten Beweise seiner Fürsorge für seine treuen Kinder? Sollte jetzt, da wir in vieler Not und Drangsal darniederliegen, seine Güte und Liebe zu uns abgenommen haben?
O nein, es ist noch Trost und Hilfe für alle. Klagt nicht länger, laßt uns nur mit Glaube und Mut die Mühe nehmen, sie aufzusuchen und aus denselben zu schöpfen! Die ewige Weisheit spricht: "Ich bin das lebendige Wasser; wer von diesem Wasser trinkt, den wird nimmer dürsten." – Doch nicht bloß Wasser gibt die ewige Weisheit hin, sondern das Blut, um zu helfen, hat doch Christus gesprochen: "Wer mein Blut trinkt, hat das ewige Leben; in meinem Blut ist alles Heil; durch mein Blut seid ihr Erben des Reiches meines Vaters geworden."
Er ladet seine Schäflein ein, sich an der Quelle seines Blutes zu sättigen. Kommt her zu mir, Geliebte! Berauscht euch an meiner Brust, trinket den Wein der Liebe, den ich euch gebe in meinem Blut!
Wir brauchen also nur hinzugehen und die Quelle zu suchen, wo alle diese Schätze verborgen sind, und die ist ja nicht weit entfernt. Im heiligsten Sakrament ist jene Quelle, die in der ganzen katholischen Kirche als öffentlicher Gnadenbrunnen jedem Christen offen steht.
Die sieben heiligen Sakramente sind gleichsam die Röhren oder der Kanal, durch welchen dieser Brunnen allen Gliedern, die danach verlangen, mitteilt. Im heiligsten Sakrament, im Opfer der heiligen Messe ist jenes Blut gegenwärtig, das alle Gaben, alle Güter enthält. Es scheint aber, als hätte man nichts nötig, weil dieses allerhöchste Gut weder hochgeschätzt noch besonders geliebt, noch eifrig um Hilfe angesprochen wird. Suchet, und ihr werdet finden, ja ihr werdet im heiligsten Blute alle Gnaden finden und die so vielfältig verlangte Liebe!

In Ekstase
Schon die letzten Ausführungen geschahen in Ekstase. Unter dem 13. Juni 1849 abends, sprach Rosa Bättig in diesem Zustand unter anderem folgendes:
Wer hat Himmel und Erde gemacht und alles, was darin ist, als eben jener Vater, der uns seinen Sohn gesendet hat? Die Erde hat er aus nichts gemacht; durch ein Wort seiner Allmacht erschuf er alles. Im heiligsten Sakrament ist sein höchstes, sein unendliches Werk seiner Liebe.
Viele Menschen trachten nach Gütern, die oft wie der Schatten vergehen, lassen aber jenes beste und höchste Gut fahren. Viele Eltern verlangen Reichtümer für ihre Kinder, bedenken aber nicht, daß sie damit um nichts bitten. In mir sind alle Reichtümer, und ich habe Verlangen, dieselben all jenen mitzuteilen, welche danach Verlangen haben. Was sucht ihr außer mir? In meinem Blute ist aller Reichtum. Versucht nur, und ihr werdet finden, daß hier nicht nur für eure Seele Kraft vorhanden ist, sondern auch Hilfe für eure leiblichen Bedürfnisse.
Habe ich nicht gesagt: "Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit; alles andere wird euch von selbst dazu gegeben werden?" - Darum seid ihr so arm geworden, weil ihr meinen Worten nicht nachgekommen seid.
Ich habe alles erschaffen, und ihr suchet das Erschaffene, aber nicht mich. Ich habe das Brot vermehrt und ihr bekümmert euch um das Brot, vergeßt aber, daß ich mit meinem Segen in allem sein muß, daß ohne mich und meinen Segen alles so wenig ist wie nichts. Darum haben wir in unserer Zeit so viele betrübte, so viele arme Menschen. Darum hat alles zu klagen über Armut, Not und Elend.
Gibt uns hierin nicht schon im Alten Bunde

die Witwe von Sarepta

ein Beispiel? Was der Prophet zu ihr sprach, hat sie getan und ist so vor dem Hungertod bewahrt geblieben. Hätte sie es nicht getan, hätte sie gehandelt wie wir, so hätte sie Hungers sterben müssen, weil sie das Wenige, das sie noch hatte, mehr geliebt hätte als den Befehl Gottes.
Da haben wir ein Beispiel für unsere Zeit. Ich kann euch mit Gewißheit sagen, wenn ihr nicht ebenso gehorsam werdet in der Befolgung des göttlichen Willens, daß wir nämlich den Leib und das Blut Jesu Christi verehren und anbeten und bei diesen unsere Reichtümer suchen, so ist die Zeit da, wo wir vor Hunger sterben und vor Durst verschmachten müssen.
Daß ich das wahre Leben bin, das haben alle jene erfahren, welche sich an diese Worte gehalten haben; sie sind reich geworden an Gnade und Liebe, und da sie diese Güter besaßen, hatten sie alle Reichtümer.
Ihr, meine Diener, was besinnt ihr euch so lange und lasset eure Herde schmachten vor Hunger und Durst? Wie lange noch wollt ihr sie auf steinigem Grund herumlaufen lassen, ohne ihnen die rechte Quelle zu zeigen? Habe ich euch deswegen zu diesem Amt berufen und auserwählt, daß ihr die Schafe sterben lasset und ihnen mich nicht zeiget?
Lehret sie und führet sie auch durch euer Beispiel zu meinem heiligsten Leib; lehret sie verehren und anbeten mein heiligstes Blut, wenn ihr dem Elend abhelfen wollt, über das ihr klagt. Dann werdet ihr erfahren, daß mein Leib das wahre Lebensbrot ist und mein Blut der wahre Lebenstrank. Wenn eure Untergebenen leiden, weiset sie dorthin, wo sie wirklich Rat und Hilfe finden.

Aus: "DAS ZEICHEN MARIENS", Januar 1991, Seiten 7608-7615, Immaculata-Verlag, CH-9050 Appenzell

Freitag, März 10, 2006

Gnadenmutter Kloster Wonnenstein

Gnadenmutter in der Kirche des Klosters Maria Rosengarten, Wonnenstein, 9052 Niederteufen.
Foto: Hans U. Gantenein / AURA - CH-9140 Waldstatt

Typ: Loretto-Madonna, vgl. U.L.F. von Einsiedeln

Mittwoch, März 08, 2006

Kloster St. Maria der Engel in Appenzell

Das Kloster St. Maria der Engel in Appenzell repräsentiert sich dem Beschauer als einfacher, altertümlicher und doch heimeliger Bau, der sich inmitten des Dorfes erhebt und von einem nicht allzugroßen Klausurgarten umgeben ist. Breite Zufahrtsstraßen führen zum Gebäudekomplex.
Das Kloster wurde am 3. Dezember 1613 gegründet. Vorher hatte eine in der Nähe der Pfarrkirche sich befindliche Klause bestanden, in der Schwestern vom III. Orden des hl. Benedikt wohnten. Im Jahre 1560 wurde die Klause durch ein Großfeuer, das im Dorfe wütete, eingeäschert.
Am 8. November 1611, also 51 Jahre nach der Zerstörung der Klause, beschloß der Rat von Appenzell, daß ein Kloster erbaut und die erste spanische Pension dazu verwendet werden sollte. Am 20. Dezember desselben Jahres wandte sich der Rat an den Guardian des Kapuzinerklosters in Konstanz, damit derselbe den Klosterbau beim Bischof befürworte, der auch alsbald die Baubewilligung erteilte. Der Rat erwarb sodann das den Erben Ulrich und Johann Speck gehörige Schloß, das den Schwestern abgetreten wurde, um fortan als Schwesternhaus zu dienen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die sich einige Jahre hinzogen, wurde am 4. Mai 1619 das Fundament für die Klosterkirche gelegt. Zwei Jahre später, am 2. August 1621, konsekrierte Weihbischof Johann Anton Tritt von Konstanz die Klosterkirche zu Ehren St. Maria der Engel. Im Jahre 1623 erhielt die Kirche die erste Orgel. Der päpstliche Nuntius Alexander Scappio erteilte 1628 die Erlaubnis, in der Kirche das Sanctissimum aufbewahren zu dürfen.
Die ersten Schwestern waren aus Wonnenstein (Sr. Petronilla Tanner, Franziska Büchler, Philippa Hag) und aus Grimmenstein (Sr. Verena Decker, Felizitas Stricker, Barbara Locher, Franziska Hag, Euphrasia Rehm) gekommen. Bevor sie ihre eigene Kirche hatten, besaßen die Schwestern im Schlosse ein Oratorium, wo sie das Offizium verrichteten. Die hl. Messe besuchten sie im Kapuzinerkloster und auch nach der Erbauung der Klosterkirche gingen die Schwestern in die Kapuzinerkirche. Die erste Frau Mutter war Sr. M. Petronilla Tanner. Ihre Amtsdauer erstreckte sich auf 14 Jahre. Die Schwestern von Grimmenstein brachten 1200 Pfund Schilling und verschiedenes Hausgerät mit, während der Landrat 600 fl. schenkte.
Bald zeigte sich, daß das alte Schloß den Ansprüchen eines geregelten klösterlichen Lebens nicht mehr genüge. Vor allem vermißte man Zellen, was besonders der Gesundheit sehr abträglich war. Tatsächlich sind in der Zeit von 1613 bis 1682 siebenundachtzig Schwestern von den hundertsechszehn gestorben. Nach Regelung der finanziellen Frage beschloß daher im Jahre 1679 der Konvent den Bau eines neuen Klosters, zu welchem Zwecke in der Nähe des alten Schlosses Grundstücke erworben wurden. Bereits im nächstfolgenden Jahre wurde mit dem Klosterbau begonnen, der im Herbst 1682 vollendet wurde. Die Baukosten hatten sich auf 11183 fl. 45 Kr. belaufen und wurden vom Konvent fast aus eigenen Mitteln bestritten. Der Einzug in den Neubau fand am 27. Oktober 1682 statt.
Während die wirtschaftliche Lage des Klosters auch nach dem Klosterneubau eine durchaus ruhige und gesicherte war, gestaltete sich andererseits das Verhältnis zwischen Kloster und Landesregierung, besonders in den Angelegenheiten der Aussteuern von Landeskindern, die in das Kloster einzutreten wünschten, recht mißlich. Hieher gehört auch ein obrigkeitliches Mandat vom 20. Mai 1677, das vom Bischof Franz Johann von Konstanz bestätigt wurde und strenge Bestimmungen hinsichtlich des Grundbesitzes der Gotteshäuser im Lande Appenzell sowie über die Zahl der Schwestern usw. enthielt. Im Jahre 1682 beschloß der Rat, vom Kloster das Schloß und die 600 fl. zurückzuverlangen, welche Summe dem Kloster bei seiner Gründung geschenkt worden war. Weiters wurde die Einführung einer Mädchenschule sowie die Vereinigung des Klosters Wonnenstein mit Appenzell gefordert. Alle diese Dinge führten zu großen Meinungsverschiedenheiten und mißlichen Auseinandersetzungen. Schießlich wurde das alte Schloß um 600 fl. der Landesregierung verkauft. Heute sind die Beziehungen zwischen Kloster und Regierung die denkbar besten. Kastenvogt oder Verwalter des Gotteshauses ist schon seit vielen Jahrzehnten immer der jeweilige stillstehende Landammann von Appenzell.
Zur Zeit des Franzosen-Einfalles wurde Appenzell dem neuen Kanton Säntis einverleibt und dessen Verwaltungskammer bestellte als Klosterverwalter den Bürger Josef Graf von Rapisau, der rücksichtslos schalten und walten konnte, so daß dem Kloster bald eine beträchtliche Schuldenlast erwuchs. Schließlich wurde er nach einer eingehenden Kontrolle seines Amtes enthoben und an seine Stelle der Ratsherr Konrad Ebneter gewählt, der sich als ein guter und väterlicher Verwalter erwies.
Das Kloster beobachtet die bischöfliche Klausur mit Sprechgitter, während von 1882-1924 die päpstliche in Übung war. In den ersten Anfängen des klösterlichen Lebens wurde die Klausur nicht streng gehandhabt, die Schwestern durften sogar Ausgänge machen. Beim Neubau des Klosters hatte sich daher eine gewisse Opposition gegen eine allfällige Erschwerung der Klausur bemerkbar gemacht. Die Lehrschwestern können auf einem gedeckten Gang das Schulhaus erreichen, im übrigen aber verlassen die Schwestern die Klausur nicht.
Die erste Klosterordnung stammt aus dem Jahre 1682 und wurde 1684, 1692 und 1697 erweitert und verbessert. P. Bonaventura Letter von Zug, Guardian in Appenzell, war es, der für das Kloster 54 geistliche Anweisungen geschrieben hatte. Neue Konstitutionen wurden um 1700 verfaß mit Abänderung der Visitation. Bis 1700 waren Visitatoren zumeist Domherren oder Weihbischöfe von Konstanz, mitunter auch Pfarrherren von Konstanz. Von 1700 an stellt der Kapuzinerorden den Visitator, unter dessen Jurisdiktion das Kloster steht. Diese Konstitutionen werden noch heute mit verschiedenen kleinen Ergänzungen und Abänderungen befolgt.
Am 2. August 1686 wurde zum erstenmal das römische Brevier im Chor gebetet und zwar lateinisch. Bis nach der Revolutionszeit wurde die Mette noch zu Mitternacht gehalten, dann aber wegen der geringen Schwesternzahl und großer Kränklichkeit einiger Schwestern auf den Vorabend verlegt. Am 26. Februar 1833 beschloß der Konvent, statt der lateinischen Tagzeiten die Ewige Anbetung den ganzen Tag hindurch einzuführen, vorbehaltlich der pästlichen Genehmigung. Aber erst im Jahre 1838 gab der Nuntius auf ein erneutes Ansuchen hin dem Visitator die notwendigen Vollmachten, um in einem Kompromiß zwischen Chorgebet und Ewiger Anbetung den Wünschen der Schwestern gerecht zu werden. Heute wird das lateinische Breviergebet im Chor verrichtet, wie es die Kapuziner haben. Das Offizium Marianum ist frei. Es wird von Schwestern, die Zeit haben, privatim gebetet. Sechsmal im Jahre müssen Matutin und Laudes um Mitternacht gebetet werden. Die Anbetung des Allerheiligsten wird still gehalten.
Laut einem Beschluß des Landrates vom 31. Jänner 1811 wurde das Kloster dazu verhalten, eine Mädchenschule zu errichten. Bereits am 2. Juni desselben Jahres wurde die untere Klasse der neuen Schule mit einem feierlichen Gottesdienst in der Klosterkriche eröffnet. Die Schülerinnenzahl belief sich auf 137. Die obere Klasse wurde am 14. Oktober eröffnet. Im Laufe der Zeit wurde auch die finanzielle Unterstützung seitens der Regierung eine bessere. Für die Lehrerinnen wurde ein fixes Gehalt bestimmt.
Am 17. August 1878 zerstörte ein Brand das Waschgebäude, doch blieb wie durch ein Wunder das Kloster selbst von dem gefrässigen Element verschont. Noch stiegen von der Brandstätte dichte Rauchwolken empor, als der Konvent beschloß, auf den Trümmern des Waschhauses ein neues Mädchenschulhaus zu errichten. Die Arbeit wurde sofort in Angriff genommen. Bereits am 21. August 1879 fand die Einweihung des neuen Schulhauses und die Besitzergreifung durch die Schülerinnen statt.
Im Jahre 1910 wurde abermals ein neuer Schulhausbau aufgerichtet, während das im Jahre 1878 gebaute Schulhaus in Zellen für die Schwestern umgewandelt wurde. Die Schule steht unter staatlicher Oberleitung, doch harmonieren Staat und Kloster sehr gut miteinander. Eine Lehrerin unterrichtet die Schwachbegabten, sieben Lehrerinnen leiten die sieben Primarklassen und eine Lehrerin die Realschule. Die Schülerinnenzahl schwankt zwischen 380 bis 390.
Die Weberei, die schon in den ersten Jahren des Klosterbestandes Schwestern beschäftigte, mußte um 1720 aus gesundheitlichen Rücksichten wieder eingestellt werden. Die Spinnerei erwies sich damals als eine beträchtliche Einnahmsquelle, mußte dann aber aufgegeben werden. Devotionalien wurden schon 1684 verfertigt, während Kräpflibäckerei erst um das Jahr 1800 in einer Rechnung vorkommt. Blumenarbeiten und das Fassen von Reliquien bilden seit 1836 gleichfalls eine bescheidene Einnahmsquelle des Klosters. Früher besaß das Kloster auch eine eigene Apotheke, wahrscheinlich schon im alten Schloß. Erstmalig erwähnt wird sie 1791. Im Jahre 1807 wurde die Apotheke aber wieder aufgegeben.
Bis zum Jahre 1691 waren die Professen sehr zahlreich und beliefen sich in 77 Jahren auf 129. Im Jahre 1692 wurde vom Visitator verordnet, daß wegen der herrschenden Teuerung keine neuen Novizinnen aufgenommen werden sollen. Zu dieser Zeit lebten im Kloster 35 Schwestern. In den Jahren 1596-1787 zählte der Konvent 208 Profeßschwestern, davon die überwiegende Mehrzahl aus Ort und Kanton Appenzell. In den Jahren 1787-1807 fand überhaupt keine Profeß statt, bis 1817 nur vier, so daß die Anzahl der Schwestern auf 11 herabsank. Von 1807-1933 legten 144 Schwesten ihre Gelübde ab, seit Bestehen des Klostes insgesamt 352 Schwestern. Am 1. Jänner 1933 waren es 40 Profeß-Schwestern, 3 Kandidatinnen. Insgesamt ist für 45 Schwestern Platz.
Das Kloster besitzt innerhalb der Gemeinde Appenzell je ein größeres Landgut im Gringel und auf Sollegg, sowie ein kleineres Gut im Neugaden. Außerdem verfügt das Kloster über etwas Waldbesitz. Sämtliche Besitzungen werden durch Pächter bewirtschaftet.

Aus: Die katholischen Orden und Kongregationen der Schweiz
herausgegeben von Dr. phil. und theol. J. Hartmann, 1936-38