Das Kloster St. Maria der Engel in Appenzell repräsentiert sich dem Beschauer als einfacher, altertümlicher und doch heimeliger Bau, der sich inmitten des Dorfes erhebt und von einem nicht allzugroßen Klausurgarten umgeben ist. Breite Zufahrtsstraßen führen zum Gebäudekomplex.
Das Kloster wurde am 3. Dezember 1613 gegründet. Vorher hatte eine in der Nähe der Pfarrkirche sich befindliche Klause bestanden, in der Schwestern vom III. Orden des hl. Benedikt wohnten. Im Jahre 1560 wurde die Klause durch ein Großfeuer, das im Dorfe wütete, eingeäschert.
Am 8. November 1611, also 51 Jahre nach der Zerstörung der Klause, beschloß der Rat von Appenzell, daß ein Kloster erbaut und die erste spanische Pension dazu verwendet werden sollte. Am 20. Dezember desselben Jahres wandte sich der Rat an den Guardian des Kapuzinerklosters in Konstanz, damit derselbe den Klosterbau beim Bischof befürworte, der auch alsbald die Baubewilligung erteilte. Der Rat erwarb sodann das den Erben Ulrich und Johann Speck gehörige Schloß, das den Schwestern abgetreten wurde, um fortan als Schwesternhaus zu dienen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die sich einige Jahre hinzogen, wurde am 4. Mai 1619 das Fundament für die Klosterkirche gelegt. Zwei Jahre später, am 2. August 1621, konsekrierte Weihbischof Johann Anton Tritt von Konstanz die Klosterkirche zu Ehren St. Maria der Engel. Im Jahre 1623 erhielt die Kirche die erste Orgel. Der päpstliche Nuntius Alexander Scappio erteilte 1628 die Erlaubnis, in der Kirche das Sanctissimum aufbewahren zu dürfen.
Die ersten Schwestern waren aus Wonnenstein (Sr. Petronilla Tanner, Franziska Büchler, Philippa Hag) und aus Grimmenstein (Sr. Verena Decker, Felizitas Stricker, Barbara Locher, Franziska Hag, Euphrasia Rehm) gekommen. Bevor sie ihre eigene Kirche hatten, besaßen die Schwestern im Schlosse ein Oratorium, wo sie das Offizium verrichteten. Die hl. Messe besuchten sie im Kapuzinerkloster und auch nach der Erbauung der Klosterkirche gingen die Schwestern in die Kapuzinerkirche. Die erste Frau Mutter war Sr. M. Petronilla Tanner. Ihre Amtsdauer erstreckte sich auf 14 Jahre. Die Schwestern von Grimmenstein brachten 1200 Pfund Schilling und verschiedenes Hausgerät mit, während der Landrat 600 fl. schenkte.
Bald zeigte sich, daß das alte Schloß den Ansprüchen eines geregelten klösterlichen Lebens nicht mehr genüge. Vor allem vermißte man Zellen, was besonders der Gesundheit sehr abträglich war. Tatsächlich sind in der Zeit von 1613 bis 1682 siebenundachtzig Schwestern von den hundertsechszehn gestorben. Nach Regelung der finanziellen Frage beschloß daher im Jahre 1679 der Konvent den Bau eines neuen Klosters, zu welchem Zwecke in der Nähe des alten Schlosses Grundstücke erworben wurden. Bereits im nächstfolgenden Jahre wurde mit dem Klosterbau begonnen, der im Herbst 1682 vollendet wurde. Die Baukosten hatten sich auf 11183 fl. 45 Kr. belaufen und wurden vom Konvent fast aus eigenen Mitteln bestritten. Der Einzug in den Neubau fand am 27. Oktober 1682 statt.
Während die wirtschaftliche Lage des Klosters auch nach dem Klosterneubau eine durchaus ruhige und gesicherte war, gestaltete sich andererseits das Verhältnis zwischen Kloster und Landesregierung, besonders in den Angelegenheiten der Aussteuern von Landeskindern, die in das Kloster einzutreten wünschten, recht mißlich. Hieher gehört auch ein obrigkeitliches Mandat vom 20. Mai 1677, das vom Bischof Franz Johann von Konstanz bestätigt wurde und strenge Bestimmungen hinsichtlich des Grundbesitzes der Gotteshäuser im Lande Appenzell sowie über die Zahl der Schwestern usw. enthielt. Im Jahre 1682 beschloß der Rat, vom Kloster das Schloß und die 600 fl. zurückzuverlangen, welche Summe dem Kloster bei seiner Gründung geschenkt worden war. Weiters wurde die Einführung einer Mädchenschule sowie die Vereinigung des Klosters Wonnenstein mit Appenzell gefordert. Alle diese Dinge führten zu großen Meinungsverschiedenheiten und mißlichen Auseinandersetzungen. Schießlich wurde das alte Schloß um 600 fl. der Landesregierung verkauft. Heute sind die Beziehungen zwischen Kloster und Regierung die denkbar besten. Kastenvogt oder Verwalter des Gotteshauses ist schon seit vielen Jahrzehnten immer der jeweilige stillstehende Landammann von Appenzell.
Zur Zeit des Franzosen-Einfalles wurde Appenzell dem neuen Kanton Säntis einverleibt und dessen Verwaltungskammer bestellte als Klosterverwalter den Bürger Josef Graf von Rapisau, der rücksichtslos schalten und walten konnte, so daß dem Kloster bald eine beträchtliche Schuldenlast erwuchs. Schließlich wurde er nach einer eingehenden Kontrolle seines Amtes enthoben und an seine Stelle der Ratsherr Konrad Ebneter gewählt, der sich als ein guter und väterlicher Verwalter erwies.
Das Kloster beobachtet die bischöfliche Klausur mit Sprechgitter, während von 1882-1924 die päpstliche in Übung war. In den ersten Anfängen des klösterlichen Lebens wurde die Klausur nicht streng gehandhabt, die Schwestern durften sogar Ausgänge machen. Beim Neubau des Klosters hatte sich daher eine gewisse Opposition gegen eine allfällige Erschwerung der Klausur bemerkbar gemacht. Die Lehrschwestern können auf einem gedeckten Gang das Schulhaus erreichen, im übrigen aber verlassen die Schwestern die Klausur nicht.
Die erste Klosterordnung stammt aus dem Jahre 1682 und wurde 1684, 1692 und 1697 erweitert und verbessert. P. Bonaventura Letter von Zug, Guardian in Appenzell, war es, der für das Kloster 54 geistliche Anweisungen geschrieben hatte. Neue Konstitutionen wurden um 1700 verfaß mit Abänderung der Visitation. Bis 1700 waren Visitatoren zumeist Domherren oder Weihbischöfe von Konstanz, mitunter auch Pfarrherren von Konstanz. Von 1700 an stellt der Kapuzinerorden den Visitator, unter dessen Jurisdiktion das Kloster steht. Diese Konstitutionen werden noch heute mit verschiedenen kleinen Ergänzungen und Abänderungen befolgt.
Am 2. August 1686 wurde zum erstenmal das römische Brevier im Chor gebetet und zwar lateinisch. Bis nach der Revolutionszeit wurde die Mette noch zu Mitternacht gehalten, dann aber wegen der geringen Schwesternzahl und großer Kränklichkeit einiger Schwestern auf den Vorabend verlegt. Am 26. Februar 1833 beschloß der Konvent, statt der lateinischen Tagzeiten die Ewige Anbetung den ganzen Tag hindurch einzuführen, vorbehaltlich der pästlichen Genehmigung. Aber erst im Jahre 1838 gab der Nuntius auf ein erneutes Ansuchen hin dem Visitator die notwendigen Vollmachten, um in einem Kompromiß zwischen Chorgebet und Ewiger Anbetung den Wünschen der Schwestern gerecht zu werden. Heute wird das lateinische Breviergebet im Chor verrichtet, wie es die Kapuziner haben. Das Offizium Marianum ist frei. Es wird von Schwestern, die Zeit haben, privatim gebetet. Sechsmal im Jahre müssen Matutin und Laudes um Mitternacht gebetet werden. Die Anbetung des Allerheiligsten wird still gehalten.
Laut einem Beschluß des Landrates vom 31. Jänner 1811 wurde das Kloster dazu verhalten, eine Mädchenschule zu errichten. Bereits am 2. Juni desselben Jahres wurde die untere Klasse der neuen Schule mit einem feierlichen Gottesdienst in der Klosterkriche eröffnet. Die Schülerinnenzahl belief sich auf 137. Die obere Klasse wurde am 14. Oktober eröffnet. Im Laufe der Zeit wurde auch die finanzielle Unterstützung seitens der Regierung eine bessere. Für die Lehrerinnen wurde ein fixes Gehalt bestimmt.
Am 17. August 1878 zerstörte ein Brand das Waschgebäude, doch blieb wie durch ein Wunder das Kloster selbst von dem gefrässigen Element verschont. Noch stiegen von der Brandstätte dichte Rauchwolken empor, als der Konvent beschloß, auf den Trümmern des Waschhauses ein neues Mädchenschulhaus zu errichten. Die Arbeit wurde sofort in Angriff genommen. Bereits am 21. August 1879 fand die Einweihung des neuen Schulhauses und die Besitzergreifung durch die Schülerinnen statt.
Im Jahre 1910 wurde abermals ein neuer Schulhausbau aufgerichtet, während das im Jahre 1878 gebaute Schulhaus in Zellen für die Schwestern umgewandelt wurde. Die Schule steht unter staatlicher Oberleitung, doch harmonieren Staat und Kloster sehr gut miteinander. Eine Lehrerin unterrichtet die Schwachbegabten, sieben Lehrerinnen leiten die sieben Primarklassen und eine Lehrerin die Realschule. Die Schülerinnenzahl schwankt zwischen 380 bis 390.
Die Weberei, die schon in den ersten Jahren des Klosterbestandes Schwestern beschäftigte, mußte um 1720 aus gesundheitlichen Rücksichten wieder eingestellt werden. Die Spinnerei erwies sich damals als eine beträchtliche Einnahmsquelle, mußte dann aber aufgegeben werden. Devotionalien wurden schon 1684 verfertigt, während Kräpflibäckerei erst um das Jahr 1800 in einer Rechnung vorkommt. Blumenarbeiten und das Fassen von Reliquien bilden seit 1836 gleichfalls eine bescheidene Einnahmsquelle des Klosters. Früher besaß das Kloster auch eine eigene Apotheke, wahrscheinlich schon im alten Schloß. Erstmalig erwähnt wird sie 1791. Im Jahre 1807 wurde die Apotheke aber wieder aufgegeben.
Bis zum Jahre 1691 waren die Professen sehr zahlreich und beliefen sich in 77 Jahren auf 129. Im Jahre 1692 wurde vom Visitator verordnet, daß wegen der herrschenden Teuerung keine neuen Novizinnen aufgenommen werden sollen. Zu dieser Zeit lebten im Kloster 35 Schwestern. In den Jahren 1596-1787 zählte der Konvent 208 Profeßschwestern, davon die überwiegende Mehrzahl aus Ort und Kanton Appenzell. In den Jahren 1787-1807 fand überhaupt keine Profeß statt, bis 1817 nur vier, so daß die Anzahl der Schwestern auf 11 herabsank. Von 1807-1933 legten 144 Schwesten ihre Gelübde ab, seit Bestehen des Klostes insgesamt 352 Schwestern. Am 1. Jänner 1933 waren es 40 Profeß-Schwestern, 3 Kandidatinnen. Insgesamt ist für 45 Schwestern Platz.
Das Kloster besitzt innerhalb der Gemeinde Appenzell je ein größeres Landgut im Gringel und auf Sollegg, sowie ein kleineres Gut im Neugaden. Außerdem verfügt das Kloster über etwas Waldbesitz. Sämtliche Besitzungen werden durch Pächter bewirtschaftet.
Aus: Die katholischen Orden und Kongregationen der Schweiz
herausgegeben von Dr. phil. und theol. J. Hartmann, 1936-38
Mittwoch, März 08, 2006
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen